Eine Buchreihe
Mehrere Autor:innen
Unterschiedliche Genres
Jede Menge Tauschgeschichten
Idee von Sina Land
Tauschgegenstand
Vierzehntägig stellt das GAMBIO-Team
auf unserem Instagram-Account projekt.gambio
einen Tauschgegenstand zur Verfügung.
Wer Lust hat, kann gerne eine Tauschgeschichte schreiben und uns markieren.
Vorgaben:
Der Tauschgegenstand wir in einer Kurzgeschichte getauscht.
Meistens gibt es noch eine Zusatzaufgabe.
Gastgeschichten
aus unserem Wettbewerb
Tauschgegenstand
Sanduhr
Getauscht werden soll am Strand.
Die Magie
Die Sanduhr ihrer Oma fest im Arm und Tränen in den Augen ging Anna zum Strand. Sie setzte sich in den warmen Sand, als sie eine leise Stimme vernahm.
„Weinst du?“ Sie sah auf und erkannte einen Jungen der ungefähr in ihrem Alter war. Anna wusch sich die Tränen weg.
„Ich bin Tommy“.
„Ich heiße Anna“.
„Ist das eine Sanduhr die du da hast?“
Anna nickte. „Die hat mir meine Großmutter geschenkt. Und sie ist verzaubert. Wenn jemand krank ist oder im Himmel ist muss man nur die Uhr umdrehen und ein Gebet sprechen. Großmutter meinte mit der Uhr werden Wunder wahr.“ Sie dachte an ihren Hund. Er war sehr alt gewesen und Papa sagte, dass seine Zeit nun gekommen sei. Aber sie würde ihn gerne zurück holen mit ihrer Sanduhr.
„Das wäre wunderbar. Meine Mama liegt im Koma und die Ärzte wissen nicht ob sie wieder aufwachen wird“. Bei diesen Worten fing Tommy an zu weinen.
„Tommy, hast du etwas zum Tausch? Die Sanduhr darf man nicht verschenken oder verkaufen. Nur ein Tausch zählt hat Oma gesagt.“
Tommy zog eine kleine Muschel aus seiner Tasche.
Anna ergriff sie und gab Tommy die Sanduhr.
„Jetzt lauf schnell zu ihr, dreh die Uhr und bete bis der Sand durchgelaufen ist.
Tommys Mutter wachte einen Tag später auf. Er war Anna ewig dankbar und hütete die Sanduhr bis zu dem Tag an dem er sie jemandem im Tausch geben konnte der sie auch dringend brauchte!
Carolin (Instagram-Account: @frech.dachs25)
Das Windlicht
Andrew lief über den Strand und sah in einem Windlichtglas eine antike Messing Sanduhr. Er trat näher und las den Text, der sich unter der kleinen Tür befand. "Tausche etwas für dich Wertvolles gegen das aktuelle Objekt aus."
Hmm, was war für ihn im Moment sehr wertvoll, aber klein genug für dieses Windlichtglas, wo die Sanduhr derzeit stand? Er spielte mit seiner Navy Seal Medaille in der Hosentasche und ging erstmal zum Strand. Er konnte nicht aufhören, an die Uhr zu denken. Holte seine Medaille vor und fuhr über ihren Seilrand und betrachtete ihre Prägung. Diese zeigte alles, für was sein Herz schlägt, als Navy Seal. Der Adler mit dem Dreizack, die Pistole und den Anker. Das Wichtigste war ihm aber die Kameradschaft, die sie im Team hatten. Das Team war für ihn seine Familie und würde nicht von seiner Seite weichen.
Andrew drehte die Medaille zwischen seinen Fingern. Sollte er sie wirklich für die Sanduhr hergeben? Aber die Sanduhr hatte etwas Magisches an sich. Sie erinnerte ihn daran, wie kostbar die Zeit war und dass er jeden Moment schätzen sollte. Gerade als Navy Seal war ihm das sehr bewusst.
Er ging zu dem Windlichtglas und tauschte die antike Messing Sanduhr gegen seine Medaille aus.
Liebevoll wickelte er diese in sein T-Shirt. Er würde die Sanduhr in Ehren halten.
Aniko Hoffmann (Instagram-Account: @aniko.van.van.helsk)
Zahnpasta
Hastig wirft Helena ihre Klamotten für die Nacht in ihre Strandtasche. In fünf Minuten würde Benni sie abholen. Was fehlt noch? Die Zahnbürste! Als es an der Tür klingelt, greift sie schnell nach ihrer Handzahnbürste und der kleinen Sanduhr. Die würde ihr am Strand passenderweise die Zeit vorgeben. Ohne weiter darüber nachzudenken, ob sie alles hat, rennt sie die Treppe hinunter und mit einem knappen „bis morgen“ zur Tür hinaus.
„Da bist du ja endlich“, beschwert sich Benni statt einer Begrüßung, als Helena auf den Rücksitz springt.
„Sorry!“ Helena schnallt sich an. Sie fahren aus der Stadt zu einer etwas abgelegenen Bucht, von der aus man die Skyline gut sehen kann.
Benni und Linus haben einen kleinen Grill dabei. Helena bekommt einen Packen Essen in die Hand und Meike einen Sixpack Bier. Außerdem schultert jeder seinen eigenes Gepäck.
Nach einem gemütlichen Abend am Feuer machen alle ihren Schlafplatz fertig und Helena will ihre Zähne putzen. Die Bürste, die Sanduhr … Die Zahnpasta fehlt. Mit einem Mal steht Meike bei ihr. „Suchst du was?“ „Meine Zahnpasta“, antwortet Helena enttäuscht. „Ich kann dir welche geben. Was bekomme ich im Tausch?“ Helena grinst. „Wie wär’s hiermit?“ Damit reicht sie Meike die Sanduhr.
Katharina Hamecher (Instagram-Account: @kay.cee.h)
Der Alte
Der Alte flickte seit den frühen Morgenstunden Netze. Auflandiger Wind trug die Rufe der Möwen und das Rauschen der Wellen zu ihm. Am schmalen Strand saß, wie so oft in den vergangenen Tagen, eine einsame Gestalt. Und auch heute ließ sie immer und immer wieder den feinen Sand durch ihre Finger rinnen. Dabei umgab sie eine Traurigkeit, deren Grund er nur allzu gut verstand.
Ehe er sich versah, stand er neben ihr. »Ciao Maria. Dein Großvater braucht eine kurze Pause.«
Ohne ihn anzuschauen, nickte sie. »Ich bin aber keine gute Gesellschaft.«
»Verstehe. Schon gut.«
Er selbst hatte als junger Mann in der Fremde gearbeitet und dabei gelernt, dass ihm ohne seine Heimat ein entscheidender Teil fehlte.
Vorsichtig holte er den kleinen Talisman aus jener Zeit aus seiner Hosentasche. An einem Lederband hängend schwang dieser zwischen beiden leicht hin und her.
»Ist es das, was ich denke?« Behutsam berührte sie die winzige Sanduhr.
»Ja.«
Sie schluckte. »Mit dem Sand von unserem Strand«, flüsterte sie andächtig.
»Ich tausche die Sanduhr gegen«, er machte eine gewichtige Pause, »gegen deine Traurigkeit.« Und während er ihr den Talisman um den Hals hängte, schenkte Maria ihrem Großvater eines jener sonnengleichen Lächeln, die er lange vermisst hatte.
Annelie Gerhard (Instagram-Account: @poesie_der_leisen_toene)
Das letzte Mal
Das Meer rauschte leise, umspülte meine Füße. Die Sonne versank in glühenden Rottönen im Meer und ich spürte ihrer Wärme nach. Genoss die salzige Luft. Es war das letzte Mal. Neben mir saß der Tod. Eine unwirkliche Kälte ging von ihm aus und ließ mich frösteln. Ich hatte gewusst, er würde bald kommen. Doch so schnell? Nachdenklich drehte ich die Sanduhr in meinen Händen. Ließ die feinen Sandkörner hin und her gleiten. Diese hatte ich heute erst erstanden, weil die alte nicht mehr richtig funktionierte. Die lief zu langsam, die Sandkörner waren zu grob, blieben oft stecken.
„Wir müssen gehen“, sagte der Tod.
„Schenkst du mir noch diesen Sonnenuntergang?“, fragte ich leise.
„Es geht nicht.“
„Gib mir die Zeit, die die Sanduhr braucht, um durchzulaufen“, bat ich und stellte sie zwischen uns. Sofort rieselten die feinen Körner unaufhaltsam nach unten.
Der Tod nickte. Erleichtert atmete ich auf und fuhr mit der rechten Hand unauffällig in meine Jackentasche. Der Tod blickte aufs Meer. Ein schöner Ort fürs Ende. Nur noch kurz bleiben … Unauffällig steckte ich die defekte Sanduhr in den Sand und versteckte die andere hinter dem Rücken. Ich hoffte, dass mir dieser Tausch noch ein paar Minuten am Meer schenkte. Ich wandte den Blick erneut der Sonne zu und schloss die Augen. Das letzte Mal.
Sonja Zimmer (Instagram-Account: @sonja_zimmer_autorin)
In sich hineinhören
Susanne ging auf den älteren Herren zu, der ein paar Meter vor ihr im Sand saß.
“Entschuldigen Sie…”
Ihr Blick blieb an einem Gegenstand im Sand hängen. Der alte Mann lächelte.
“Sie wundern sich, warum ich eine Sanduhr am Strand dabei habe”, stellte er amüsiert fest.
“Sehen Sie - jedes Mal, wenn die Sanduhr abgelaufen war, habe ich mein Handtuch verschoben, um im Schatten zu bleiben.”
“Könnten Sie nicht einen Wecker stellen?”
“Natürlich. Aber wo bleibt da der Spaß? Eine Sanduhr mitten im Sand!”
Seine Augen glänzten vor Freude. Susanne verstand nichts.
“Haben Sie Sonnencreme?”
“Äh - ich - was?”
“Wir machen einen Tausch. Ich gebe Ihnen die Sanduhr und Sie geben mir Sonnencreme. Morgen setzen Sie sich mit der Sanduhr in den Sand. Beobachten Sie sie, beobachten Sie die Sonne, das Meer. Hören Sie die Wellen, aber vor allem hören Sie in sich hinein.”
Wie ferngesteuert ging Susanne irritiert zu ihrer Tasche und nahm die Flasche Sonnenmilch. Grinsend legte ihr der alte Mann die Sanduhr in die Hand.
“Sie werden verstehen. Und dann geben Sie die Sanduhr an jemanden weiter, der sie genau so braucht, wie Sie jetzt.”
Und mit diesen Worten verschwand der Mann und ließ Susanne einfach stehen.
Maresa May (Instagram-Account: @leseremus)
Der Verrat
Pietro und Mario beobachteten eine Weile träge die Wellen des Ozeans, die rauschend an den schneeweißen Strand schwappten. Als Schleierwolken die brennende Sonne bedeckten, reichte Pietro Mario eine antike Sanduhr, die er aus seinem Rucksack zog. „Aus purem Gold, ist bestimmt ein Vermögen wert, was denkst du?“ Das Gehäuse blinkte im Sonnenschein und Mario betrachtete es staunend. „Ist sie gestohlen?“ „Wo denkst du hin, ein Erbstück, ich schenke sie dir, wenn ich dafür deine Barbra bekomme.“ Mario lachte verächtlich. „Niemals.“ Er gab Pietro die Sanduhr zurück. „Seien wir ehrlich, das mit Barbra ist nichts für die Ewigkeit“, brabbelte Pietro. „Pah, was bist du nur für ein widerwärtiger Mensch“, zischte Mario. Bewundernd sah er Barbra in einem knappen Bikini über den weißen Sand heranschweben. Ihre Hüften schwangen bei jedem Schritt und ihre langen rotblonden Haare flatterten golden in der Meeresbrise. Sie küsste Mario flüchtig und beäugte die Sanduhr. „Ein antikes Erbstück meines Großvaters aus purem Gold“, prahlte Pietro und stellte die Uhr auf den heißen Sand. „Das Ding ist bestimmt eine Menge wert, habe ich recht“, gurrte Barbra und räkelte sich neben Pietro. „Mit Sicherheit“, raunte Pietro. Barbra lächelte verheißungsvoll. Sie schienen die Anwesenheit Marios vollkommen vergessen zu haben. Mario sprang auf und schnappte sich die Sanduhr. „Du kannst sie haben“, sagte er mit einem Blick auf Barbra und rannte lachend davon.
Isla Tosetti (Instagram-Account: @islatosetti)
Spielzeugboot aus Holz
An dieser Stelle war es.
Genau hier habe ich meine Extra-Zeit bekommen. Ich muss damals etwa in deinem Alter gewesen sein. Und ich hatte ein kleines Segelboot aus Holz, das ich sehr liebte. Doch eines Tages brach der Mast beim Spielen und ich war unendlich traurig. Man hätte ihn sicher kleben können, aber ich hatte Angst, zu meinen Eltern zu gehen. Ich blieb also einfach am Strand sitzen und weinte.
Plötzlich stand eine Frau neben mir. "Warum weinst du denn?", fragte sie und ging neben mir in die Hocke. Ich kann mich nicht genau an ihr Gesicht erinnern, aber daran, dass es mir die Sprache verschlug, wie schön sie war.
Ich zeigte ihr mein Boot und den zerbrochenen Mast. Sie nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. Dann zog sie etwas aus ihrer Tasche und stellte es vor mich in den Sand.
"Ich möchte gern diese Sanduhr gegen dein Boot tauschen."
Sie sah alt und kostbar aus.
"Aber mein Boot ist kaputt.", brachte ich hervor und hielt es ihr hin.
"Ich nehme es gern. Diese Sanduhr ist keine gewöhnliche. Sie hat ein Oben und ein Unten. Der Sand in ihr ist Lebenszeit und kann nur in eine Richtung fließen. Ich tausche mit dir, aber nur unter der Bedingung, dass du mir versprichst, ein glückliches Leben zu führen."
Damit stand sie auf und ging mit meinem kaputten Boot in den Händen zum Wasser. Ich betrachtete die Sanduhr. Als ich wieder aufsah, war die Frau verschwunden.
Ren Mundo (Instagram-Account: @wordcount.of.renmundo)
Schneckenhaus
„Guck mal, Mama, ein Schneckenhaus“, ruft meine siebenjährige Tochter und rennt zu ihrem Fund.
Lächelnd lasse ich meinen Blick über den Strand und das Meer schweifen.
„Mama?“ Amelie zupft an meinen Shorts. „Es ist wunderschön.“
Ich betrachte das Schneckenhaus in ihren Händen. „Genauso schön wie die anderen zehn, die du bereits gefunden hast.“ Ich grinse. „Hast du es dir schon ans Ohr gehalten?“
Sie schüttelt den Kopf. „Ich kann das Meer rauschen hören.“ Sie lächelt. Dann geht sie weiter.
Vor uns spaziert ein Mann mit schneeweißen Haaren. Er hält an und pfeift. Ein Border Collie kommt angesaust, bleibt hechelnd vor ihm stehen und holt sich den Leckerbissen, den er ihm hinhält.
„Darf ich ihn streicheln?“
Der Mann dreht sich zu Amelie um und lächelt. „Natürlich.“
„Hallo“, begrüße ich ihn.
„Guten Morgen.“ Er erwidert mein Lächeln.
„Was hast du da?“ Meine Tochter zeigt auf seine offene Bauchtasche.
„Eine Sanduhr.“
„Woher hast du die?“
„Amelie“, ermahne ich meine neugierige Tochter.
Er lacht. „Hier am Strand gefunden“, erklärt er. „Möchtest du sie haben?“
Amelie nickt und streckt ihm das Schneckenhaus entgegen. „Tauschen macht Spaß“, sagt sie und lächelt. Sie nimmt die Sanduhr und drückt sie mir in die Hand. Dann bückt sie sich, um einen Stock aufzuheben, wirft ihn, so weit sie kann, und flitzt dem schwarz-weißen Vierbeiner nach.
Alexandra Leo (Instagram-Account: @leobooklove_autorin)
Glück, wie feiner Sand
»Kann ich etwas tun, damit sie schneller durchläuft?«, frage ich, während ich im warmen Sand am Strand sitze. Vor mir leuchtet der glutrote Feuerball ein letztes Mal auf, bevor die Sonne endgültig im Meer versinkt, um dem Mond für heute den Platz zu überlassen.
»Nein«, kommt die ruhige Antwort vom alten Mann neben mir.
»Kann ich etwas tun, damit sie langsamer durchläuft?«, hake ich nach, nicht gewillt, seine Worte einfach hinzunehmen.
»Nein«, kommt die ruhige Antwort vom alten Mann neben mir.
»Aber was soll ich dann damit?«, frage ich und starre die kleine Sanduhr in meiner Hand ärgerlich an. Sie ist ungefähr so groß wie ein Schnapsglas. Der schneeweiße Sand in ihrem Inneren rinnt unaufhaltsam von der oberen zur unteren Hälfte. Es fehlt nicht mehr viel und sie ist durchgelaufen. Meine Handflächen beginnen zu schwitzen.
»Frage dich, ob du glücklich bist. Ausgefüllt. Ob du ein gutes Herz hast.« Der alte Mann schaut mich mit seinen durchdringenden blauen Augen an.
Ich denke an mein Leben, an meine Lieben. Ich lächle bei dem Gedanken daran, dass ich glücklich bin. Dankbar. Zufrieden.
»So sei es«, murmelt der alte Mann und verschwindet vor meinen Augen.
Zurück bleibt die kleine Sanduhr. Und die obere Hälfte ist randvoll.
J.D Miles(Instagram-Account: @j.d_miles)
Zeitlos
Mit zusammengekniffenen Augen spähte Rieke in die Ferne. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht. In der Früh war das Wetter plötzlich umgeschlagen, sodass ihre Eltern sich gegen einen Strandtag entschieden haben. Auch Opa, der zum ersten Mal mit ihnen im Urlaub war, wollte lieber im Ferienhaus bleiben. Wie die Tage zuvor würde er sicherlich stundenlang rumsitzen und grübeln. Dabei fuhren sie nur seinetwegen nach Norderney. Opas Geburtsort. Und alles nur, weil die Ärzte meinten, seine Zeit laufe ab. Seitdem schleppte Opa diese Sanduhr mit sich herum. Er wurde nicht müde, ihr beim Verrinnen zuzusehen und sie umzudrehen. Es war nicht mitanzusehen.
Rieke grub die Zehen in den Sand. Obwohl es kalt war, hatte sie ihre Schuhe ausgezogen. Da erblickte sie plötzlich den Jungen, den sie gestern beim Schwimmen kennenlernte. Sie winkte ihm zu und rannte ihm entgegen.
„Ich dachte schon, du kommst nicht“, keuchte Rieke, hielt ihm Opas Sanduhr hin und nahm die Armbanduhr entgegen. Das Lederband war abgegriffen, aber die goldenen Zeiger glänzten in der Sonne. Rieke betrachtete das Schiff, das auf einer riesigen Welle balancierte.
„Danke“, flüsterte sie und lief über den Strand zurück zum Ferienhaus. Sie freute sich über den Tausch und darüber, ihrem Opa eine Uhr zu schenken, mit der die Zeit nicht mehr verrann.
Ella Groen(Instagram-Account: @booktrin)
Eklipse
Die Verfinsterung schreitet voran. Langsam schiebt sich der Mond vor die Sonne und gibt den Liebenden einzig sieben Minuten.
Aus den üppig blühenden Wäldern schreiten sie stetig hervor und betreten den tödlich heißen Sandstrand. Mit wehklagen und Geschrei starben die, deren Ungeduld ihr Schicksal bestimmte. Die weißen Wesen deren Art sie Sina nennen, schritten bis an des Meeres Rand und zeichneten ihr Seelenheil, eines Tanzes gleich, in den Sand.
Der Mond schiebt sich weiter vor ran und mit summendem Gesang, verabschieden die Wesen ihre Sonne, für sieben Minuten, mit immer lauterem Gesang. Der Gesang verstummt und der Mond verbarg alles Licht. Der Finsternis Lohn waren die Wesen, die ihre Sonne mit Hohn verabschiedeten und im Zwielicht der Zeit verstarben.
In dieser Finsterkeit erstrahlen die Wesen aus ihren Körpern mit einem gleißenden Licht und erhellen den Strand. Eines Chores gleich erschallt Musik aus diesem Licht und sie öffnen sich. Sie entnehmen aus ihrer Mitte ein Herz, das einer Sanduhr gleicht und halten es dem Meer entgegen.
Aus dem Meer, finster und lautlos, rücken dunkle Wesen hervor. Ein jedes, kennt sein Seelenheil und tritt ihm gegenüber, um sich ihm zu öffnen. Sie Tauschen ihre Sanduhren einer Vereinigung gleich, um die Lebenszeit der Sina zu erneuern.
Immerwährend führ alle Zeit …
Thorsten de Groot(Instagram-Account: @de_grooth_th)
Weihnachten in der Karibik
Wie komm ich aus der Nummer nur wieder raus? „Hör auf, ich bin vergeben.“, hauche ich in sein Ohr, das direkt an meinem Mund ist. Er denkt gar nicht dran, lächelt und streichelt ganz leicht, nur mit den Fingerkuppen die Innenseite meines Oberschenkels. Ich lasse es geschehen.
Wir haben uns am Abend am Strand beim Wichteln kennengelernt. Eine Gruppe Touristen, die etwas mehr Weihnachtsstimmung aufkommen lassen wollte. Gar nicht so einfach in der Karibik, wo man nur wenige geschmückte Plastiktannen und ein paar leuchtende Rentiere in sandigen Vorgärten sieht. In irgendeiner Kneipe hatte ich mal kurz „Jingle Bells“ mit karibischer Percussion gehört.
Jan küsst das Grübchen am unteren Ende meines Halses. Ich greife hinter mich und krame blind in meiner Handtasche. Ich muss ihn ablenken, oder viel mehr mich, auch wenn es albern wird. Ich finde das Wichtelgeschenk, eine Sanduhr.
Eigentlich kein schlechtes Geschenk, bin ich doch auf der Suche nach mir selbst hergekommen. Die Sanduhr wäre gut, um etwas von meinem Finden mit nach Hause in den hektischen Alltag zunehmen. Eine Sanduhr lang Yoga, eine Sanduhr lang baden, eine Sanduhr lang Meditieren… aber in diesem
Moment muss sie mir anders nutzen. Ich schiebe sie langsam in den schmalen Spalt zwischen unseren Gesichtern. „Ich hab´ ein Geschenk für dich.“
„Dann muss ich dir wohl meins geben.“, er grinst. Eine chinesische Fingerfalle.
„Die solltest du besser behalten.“
Vea Reh(Instagram-Account: @veareh152)
Die Sonnenuhr
Filipa saß seit Stunden am Strand und starrte zum Meer. Sie hatte heute nicht ihren besten Tag und üblicherweise änderte sich ihr Gemütszustand schnell wenn sie am Strand war. Sie wollte schon nach Hause gehen, da sah sie eine ältere Dame, die sich in einen Klappsessel setzte, sie trug weiße Handschuhe und nahm eine Sanduhr aus ihrer Tasche. Filipa fühlte sich angezogen von ihr und sprach sie an: "Noch nie habe ich eine Sanduhr gesehen, deren Glas sich durch die Sonne rot färbt!" Die alte Dame schaute in die Augen von Filipa und nickte ihr zu, sie soll sich zu ihr setzen. Sie erzählte ihr von ihrem Leben und die Umstände wie die zu der Sanduhr kam. "Ich würde die Sanduhr nicht verkaufen, denn Geld würde den Wert dieser Sanduhr nicht gerecht und wie ich die Menschen so kenne, mit meinen nun 88 Jahren, schätzen sie auch nichts was man ihnen von Herzen schenkt!" Filipa nahm ihren schwarz gestreiften Sonnenhut ab und sagte: "Wir können tauschen, ich gebe ihnen meinen Sonnenhut und ich bekomme die Sonnenuhr." Viele Jahre später als Filipa selbst eine alte Dame war, ging sie wieder an diesen Strand, schaute aufs Meer, packte liebevoll ihre Sonnenuhr aus der Tasche, die sie durch ihr Leben begleitete. Am Strand entlang ging eine junge Frau und beobachtete die alte Dame.
Gabriele Fränzl(Instagram-Account: @fraenzlgabriele)
Die Lebensuhr - Gesine Ravens
Der Strand war menschenleer. Gut so, denn ich wollte allein sein. In meinen 35 Lebensjahren war ich auch durch Krisen gegangen. Doch unerschütterlich hatte ich geglaubt, dass wieder bessere Zeiten kämen.
Die Diagnose hatte meinen Optimismus vernichtet. Kalter Wind rötete mein Gesicht.
Gegen die äußere Kälte war ich geschützt. Gegen die in meinem Inneren hatte ich jedoch nichts, was mich wärmen konnte.
Mit Tränen in den Augen lief ich an der Wasserlinie,
meine Umgebung nahm ich nicht wahr.
„Gesine Ravens!“, ertönte da eine kraftvolle dunkle Stimme.
„Oh Gott! Sie haben mich erschreckt!“, kreischte ich.
Die Frau war klein, hielt sich sehr gerade und in Kombination mit ihrer schwarzen Kleidung und der starken Stimme hatte sie etwas Respekteinflößendes an sich.
„Du bist verzweifelt.“, sagte sie ohne Umschweife. „Ich schlage dir ein Tauschgeschäft vor.“
Ich war gelähmt vor Angst, als sie in ihren Mantel griff und eine Sanduhr hervorholte.
„Das ist kein gewöhnlicher Zeitmesser – der rotgefärbte Sand steht für deine verbliebene Lebenszeit, unten wird er schwarz und steht für dein vergangenes Leben.“
„Lassen Sie mich in Ruhe!“
„Hör zu, ich helfe dir. Diese Sanduhr ist besonders: Kurz bevor das letzte Sandkorn in den unteren Teil fließt, musst du sie umdrehen. Der Sand wird wieder rot und du wirst sehr alt werden.“
„Selbst wenn ich dir glaube, was verlangst du dafür?“, fragte ich.
„Bald wirst du ein Kind erwarten. Dieses Mädchen sollst du an ihrem 13.Geburtstag zu mir geben. Sie wird als Assistentin dienen und ein glückliches Leben haben.
„Wer bist du?“, flüsterte ich kraftlos.
„Gestatten: Mortissa, Hüterin der Lebensuhren.“
Sie zwang mir die Sanduhr zwischen meine zitternden Hände.
„Wir treffen uns in 14 Jahren, um den Tausch abzuschließen.“
Wiebke Groth(Instagram-Account: @wiebke_groth_autorin)
Tauschgeschichten
aus unseren eigenen Reihen
Tauschgegenstand
Osterei
Gegen was wird es getauscht?
Dürfen Osterhasen Kopfhörer tragen?
„Mamaaa, ich muss los!“ Aufgeregt schnalle ich mir das prall gefüllte Osterkörbchen auf den Rücken und hüpfe von einer Hasenpfote auf die andere. Heute geht mein Wunschtraum in Erfüllung. Ich habe meine Schule beendet und bin ab sofort ein echter Osterhase. Schnell nehme ich noch meine Kopfhörer vom Regal, denn bei der Eierverteilung möchte ich die neuste Single der „Rabbits“ hören, – der angesagtesten Hasenband weit und breit. Doch meine Mutter sieht mich mit gerunzelter Stirn an: „Osterhasen müssen stets aufmerksam sein, um nicht entdeckt zu werden und dürfen keine …“ Den Rest ihrer Worte kann ich nicht mehr hören, denn ich habe bereits meine Kopfhörer aufgesetzt und hopple Richtung Menschensiedlung davon.
Ich weiß natürlich, dass man als Osterhase weder Ohrenstöpsel noch Kopfhörer tragen darf. Schließlich sind wir Fluchttiere und müssen jederzeit bei Gefahr reagieren können. Aber was soll schon passieren? Mama ist manchmal ein richtiger Angsthase.
Mit einem riesigen Sprung hüpfe ich über eine Gartenmauer und mache mich daran, die Eier zu verteilen. Ich bin gerade dabei, einige besonders hübsch verzierte unter einen Haufen Holzscheite zu schieben, als ich plötzlich zwei Kinderfüße direkt neben mir im Gras bemerke. O nein! Ich wurde ertappt! Rasch versuche ich, unter den Holzhaufen zu kriechen, doch ich bleibe mit dem Eierkörbchen hängen und stecke fest. Alles Zappeln und Strampeln hilft nichts[DS1] – ich komme weder vor noch zurück. Auf einmal zieht jemand an meinen Hinterläufen. Mit einem Ruck werde ich wieder auf den Rasen befördert. Ein kleines Mädchen kniet neben mir und scheint genauso aufgeregt zu sein wie ich. Vorsichtig schiebt es meine Kopfhörer ein Stückchen zur Seite und flüstert in mein linkes Ohr: „Ich habe noch nie einen Osterhasen gesehen." Dann steckt es zwei Möhren und einige Löwenzahnblätter in mein Osterkörbchen. „Für dich“, sagt es leise, „zum Tausch für die schönen Ostereier.“
Mir fällt ein Stein von meinem Hasenherzen.
Siehste, Mama, Kopfhörer tragen ist völlig ungefährlich.
Petra Baar (albertundmimi.de)
Tauschgegenstand
Gedanken
Gegen was werden sie getauscht?
Ein Ohrwurm begleitete ihn seit Tagen.
Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
„Ich kann es“, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf.
Erschreckt hielt er inne. Hatte er sich das nur eingebildet?
„Nein. Du hörst mich wirklich. Ich spreche zu dir. In deinen Gedanken.“
„Wer bist du?“
„Du würdest es mir ja doch nicht glauben.“
„Was willst du von mir?“
„Ich möchte tauschen.“
„Was denn?“
„Gedanken.“
„Gedanken tauschen? Wie soll denn das gehen?“
„Ich nehme von dir all das, was du über dich denkst und gebe dir dafür das, was ich über dich denke. Bereit?“
„Nein!“
Doch zu spät. Es zog und zerrte, als seine Gedanken entfernt wurden. Gleichzeitig jedoch flutete Licht seine Gedanken. Es schickte ein Kribbeln durch seinen ganzen Körper. Ließ ihn grinsen und frei atmen, als hätte er noch nie richtig geatmet. Kein Schatten hatte mehr Platz. Keine Zweifel. Keine Unsicherheit. In den Gedanken des anderen erkannte er seine Einzigartigkeit und Stärke. Seine Talente und all die Liebe in ihm. Ein Leuchten erfüllte ihn und ließ ihn nicht mehr los. Glücklich ging er seinen Weg weiter. Getragen von einem Strahlen, das ihn nun nie mehr verließ.
Jenny Barbara Altmann(jenny-barbara-altmann.jimdosite.com)
Tauschgegenstand
Konfetti
Gegen was werden sie getauscht?
Partners in Crime
„Hier sind die Ohrringe. Wo sind die Briefe?“
Durch dieses Geschäft würde seine bald Ex-Frau keinen Cent von ihm kriegen. Mit ihren Liebesergüssen an ihren Lover wäre er in der Lage, vor Gericht ihre Untreue zu beweisen. Dass ihn selbst während ihrer gesamten Ehe verschiedene Betthäschen bespaßt hatten, musste ja niemand wissen.
Um an diese beweisträchtigen Briefe zu kommen, gab er gerne die Brilliant-Ohrringe her, die er bei seiner Noch-Ehefrau einkassiert hatte. Sie waren ohnehin kein Geschenk von ihm, sondern von ihrem Liebhaber. Zum Glück hatte er vor Kurzem die Stiefschwester dieses Ehebrechers kennengelernt. Schnell war deutlich geworden, dass sie ihren Bruder hasste. Der Deal war perfekt.
Gierig riss sie ihm das Schächtelchen mit den Ohrringen aus der Hand und betrachtete den Schmuck ausgiebig. Im nächsten Moment kündigte eine Straßenbahn ihre Ankunft unter lautem Geklingel an. Mit einem zufriedenen Nicken steckte die Stiefschwester ihre Beute in die Tasche und zog einen prallgefüllten wattierten Umschlag heraus, übergab ihn, drehte sich um und hechtete in die abfahrbereite Bahn.
Verdutzt sah er ihr nach. Als sein Verstand endlich die Situation erfasste, fummelte er hektisch an der Umschlagslasche. Bitte nicht! Hatte er die Situation so falsch eingeschätzt? Und warum in drei Teufels Namen ging dieser Umschlag nicht auf? Wenn dieser nicht die Briefe beinhaltete, hatte er soeben sein letztes Beweisstück gegen seine Frau aus der Hand gegeben.
Verzweifelt zurrte und zerrte er. Schließlich riss der Umschlag entzwei und eine Fontäne Konfetti ergoss sich über ihn.
Donata Schäfer (texthueterin.de)
Tauschgegenstand
Luftballons
Gegen was werden sie getauscht?
Ballontausch
Langsam schlendere ich die Einkaufsstraße entlang. Heute ist kaum jemand unterwegs und ich habe noch keinen einzigen Ballon verkauft. Freundlich lächelnd halte ich den Vorüberziehenden meine Ballontraube entgegen und hoffe, dass irgendein Käufer dabei ist. Schließlich brauchen wir das Geld. Da klingelt mein Telefon. Unbekannte Nummer. Wer kann das sein? Oh nein, das Krankenhaus! Das Baby! Jetzt schon? Es sind doch noch drei Wochen. Was jetzt? Mist! Ich muss sofort los, das Krankenhaus ist am anderen Ende der Stadt. Aber ich habe heute noch nichts verdient, ich kann mir keinen Busfahrschein leisten und ein Taxi erst recht nicht. Plötzlich hab‘ ich die rettende Idee. Ich springe zum Taxistand und spreche einen Fahrer an. „Für eine Fahrt zum Südstadtkrankenhaus, bekommen Sie alle Ballons!“ Der Taxifahrer schüttelt den Kopf. „Was es heutzutage alles gibt! So ein schräger Vogel.“ Er steckt sich eine Zigarette an und ignoriert mich einfach. Mir wird übel, vielleicht ist meine Idee doch nicht gut? Verzweifelt laufe ich weiter. „Bitte, ich brauche dringend ein Taxi zum Südstadtkrankenhaus, meine Frau bekommt ein Kind. Ich habe kein Geld, aber ich tausche meine Ballons gegen die Taxi Fahrt.“ Der Fahrer lächelt. „Steig ein, meine Kinder werden diese Geschichte lieben – und die Ballons!“
Nathalie Groß (nathaliegross.de)
Tauschgegenstand
Das alte Leben
Gegen was wird es getauscht?
Ungarische Tänze
In seinem zerschlissenen Mantel steht er in der Fußgängerzone.
Aufrecht, mit wildem Bart, den Mantelkragen hochgeschlagen, als Schutz gegen die Kälte des Nieselregens.
Grau ist nicht nur der Himmel, grau sind auch die Gesichter der Vorbeieilenden, ausgeblichen von der Eintönigkeit des Alltags, farblos von der fehlenden Sonne. Gräulich ist auch sein Hut, den er sorgsam vor sich abgestellt hat. Er vermisst seine Heimat, das Essen, die melodiöse Sprache. Hier versteht er kein Wort. Niemand sieht ihn an. Aber es musste sein, wenigstens für den Sommer musste er flüchten. Er hebt seinen Arm und setzt den Bogen an. Brahms, Ungarische Tänze.
Ina Arnold (sprichfuermich.de)
Tauschgegenstand
Eine alte Münze
Gegen was wird sie getauscht?
Schokolade?
Piet kaut genüsslich auf der köstlichen Schokolade, als sein Papa aufgeregt ins Zimmer stürmt.
„Hast du meine Zwei-Pfennig-Münze gesehen?“
Den Mund voller Schokolade kann Piet kaum antworten. „Meinst du das schwarz angelaufene Ding, das du in den schicken Rahmen gepackt hast?“, nuschelt er.
Sein Papa nickt.
Stolz reckt Piet die Brust vor. „Ist dir aufgefallen, dass beim Wort Pfennig das F fehlt und dort nur Pennig steht?“ Er lacht. „Gestern waren zwei dämliche Typen hier, die haben für die Münze vier Tafeln Schokolade geboten. Die haben nicht mal gemerkt, dass das Wort falsch geschrieben war. Ich hab getauscht … Schokolade?“
Gerd Schäfer (gerdschaefer.com)
Tauschgegenstand
Eiskratzer
Gegen was wird er gestauscht?
Der Eiskratzer
Ein Eiskratzer! Zum sechsten Mal hatte ich an der Frühjahrstombola des örtlichen Kaufhauses teilgenommen und zum sechsten Mal einen Eiskratzer gewonnen – und das im Frühjahr. Ich war versucht, das blöde Ding einfach wegzuwerfen, aber letztlich steckte ich ihn doch in meine Tasche. Immerhin hatte ich für das Tombola-Los bezahlt und damit indirekt für den Eiskratzer.
Während meiner Überlegungen schlenderte ich den Weg zu meiner Wohnung entlang, als ich einige Meter vor mir einen Mann sah, der sich verzweifelt bemühte, die Hinterlassenschaften seines Hundes vom Gehweg zu entfernen. Wie praktisch, dass ich ohnehin in diese Richtung laufen musste, so konnte ich mir den Kerl etwas genauer ansehen. Von weitem hatte ich ihn schon öfter gesehen, da er hier anscheinend regelmäßig mit seinem Hund spazieren ging. Bislang war er jedoch immer zu weit entfernt gewesen, um ihn von Nahem anschauen zu können.
Mir gefiel was ich sah, auch wenn die Situation fast schon komisch wirkte. Die Hinterlassenschaft seines Hundes war recht weich ausgefallen, so dass er Schwierigkeiten hatte, diese einzusammeln. Plötzlich kam mir eine Idee.
»Ich denke, mit einem Eiskratzer würde es leichter gehen«, wandte ich mich an den Mann, als ich nur noch vier Schritte von ihm entfernt war. »Zufällig habe ich gerade einen dabei«, sagte ich mit einem verschmitzten Lächeln und hielt ihm den Tombolapreis vor die Nase.
Erstaunt blickte er auf. »Ja, das ist eine gute Idee.« Er stutzte, dann fragte er leicht misstrauisch: »Aber was möchten Sie dafür?«
»Ich tausche den Eiskratzer gegen eine Tasse Kaffee und Ihre Begleitung, während ich diesen trinke«, platzte es förmlich aus mir heraus.
Der Mann nickte ernst. »Das lässt sich einrichten. Allerdings müsste ich Ihnen den Kaffee bei mir zuhause aufbrühen, da ich kein Geld dabei habe.«
Das lief doch besser als geplant, dachte ich und drückte ihm zum Zeichen meines Einverständnisses den Eiskratzer in die Hand. Damit war das Malheur schnell behoben und wir gingen zusammen zu ihm.
Es war der beste Tausch meines Lebens – nein der zweitbeste. Der beste kommt morgen, wenn wir vor dem Standesbeamten die Ringe tauschen.
Susanne Eisele (autorin-susanne-eisele.de)
Tauschgegenstand
Glückskeks
Gegen was wird er getauscht?
Das Haus mit den grünen Fensterläden
Es ist ein warmer Frühlingstag. Die Sonne strahlt vom Himmel herab, die Vögel zwitschern und der Wind weht in einer angenehm warmen Brise um uns herum. Meine Schwester und ich haben es uns heute, für das Mittagessen, auf meinem Balkon etwas gemütlich gemacht. Es könnte ein perfekter Tag sein. So bunt und fröhlich, wie die Kulisse vor unseren Augen. Wenn in unserem Inneren nicht gerade die pure Dunkelheit Überhand nehmen würde. Denn einer fehlte heute an unserem Tisch. Und er würde von nun an für den Rest unseres Lebens fehlen. Zwei Monate ist es nun her, dass unser Bruder, das Nesthäkchen der Familie, viel zu jung aus dem Leben gerissen wurde. Der Schmerz sitzt noch immer so tief, dass wir im Grunde innerlich taub geworden sind. Und doch tut es in bestimmten Momenten unendlich weh. Meine Schwester und ich versuchen Tag für Tag mit dem Schmerz zu leben und die Erinnerungen an ihn und an uns drei aufrecht zu halten.
Heute war der erste Tag, an dem wir wieder chinesisch Essen wollten. Jeden Freitag kamen meine Schwester und mein Bruder zu mir und wir bestellten chinesisches Essen. Seit dem wir Milan verloren hatten, war für uns nicht mehr daran zu denken. Aber heute, wollten wir uns ihm zuliebe aufraffen und in Erinnerung an ihn unser gemeinsames Lieblingsessen bestellen. Am meisten freute ich mich immer auf den Teil mit den Glückskeksen. Jeder von uns las immer seinen Spruch laut vor und wir lachten gemeinsam darüber.
Meine Schwester hat sich ihren Keks bereits aus der Tüte stibitzt und neben ihrem Teller platziert. Ein Blick in die Tüte verrät mir, dass es wohl auch der einzige ist ... "Wo ist denn mein Glückskeks?", frage ich meine Schwester Amalia, die gerade dabei ist das restliche Fleisch von einem Hähnchenspieß zu knabbern. "Hm? Keine Ahnung", antwortet sie mir schulterzuckend. "Hier ist keiner drin ... Na toll! Ich wollte gerade heute unbedingt einen Glückskeks haben." Eigentlich will ich das immer. Aber heute ganz besonders.
"Du kannst meinen haben", sagt meine Schwester, während sie den Holzspieß auf ihren Teller legt. "Nein, das geht doch nicht. Das ist deiner", sage ich etwas geknickt. "Dann tauschen wir. Deine letzte Frühlingsrolle gegen meinen Glückskeks. Hier, nimm schon." Amalia hält mir ihren Glückskeks hin und ich reiche ihr im Gegenzug meine letzte Frühlingsrolle. "Danke", sage ich zu ihr und traue meinen Augen nicht, als ich zum Himmel hinaufschaue. Drei Vögel fliegen gemeinsam vorüber und meine Schwester und ich sehen uns an. "Denkst du ..." "Ja", unterbreche ich meine Schwester. "Das ist eindeutig ein Zeichen. Und dieser eine Glückskeks ... ich glaube ... der ist für uns drei." Als ich den Glückskeks aufbreche und den Zettel herausziehe, atme mich einmal tief durch, bevor ich anfange zu lesen. "Du siehst heute ein Haus mit grünen Fensterläden." Das wäre jetzt für viele das sinnloseste, was ein Glückskeks hervorbringen kann. Aber für uns ... war dieser Satz von größter Bedeutung. Denn in einem Haus mit grünen Fensterläden ist mein Bruder geboren worden. In diesem Haus sind wir gemeinsam mit unseren Freundinnen Aileen und Mila aufgewachsen.
Tränen verschleiern meine Sicht. Meine Schwester schnieft deutlich hörbar. Dann klingelt mein Handy. Ich bringe gerade ein "Hallo?" hervor, als Milas vertraute Stimme zu hören ist. "Hast du es schon gesehen?" "Was denn?", frage ich ahnungslos. "Unser altes Haus ... das mit den grünen Fensterläden. Es wird morgen abgerissen!" Das konnte doch nicht sein ... Dass das Haus schon lange nicht mehr bewohnt wurde, wusste ich. Und dass es in keinem guten Zustand mehr war ebenfalls. Aber dass es jetzt wirklich komplett abgerissen werden soll, versetzt mir einen Stich. Gerade jetzt nach unserem Verlust. "Nein ... Das habe ich nicht mitbekommen." "Es steht in der Zeitung. Morgen reißen die es ab! Aileen und ich wollen in einer Stunde hinfahren und uns verabschieden. Und wir glauben, wir sollten zusammen fahren. Kommt ihr mit?" Da meine Schwester das Gespräch über den Lautsprecher mithören kann, nickt sie mir weinend zu. Unfähig ein Wort herauszubringen.
Eine Stunde später sitzen wir in Aileens Auto, auf dem Weg in unser Dorf, um einen besonderen Abschnitt unseres Lebens hinter uns zu lassen. Mila und Aileen haben noch ihren Bruder Ben mitgebracht, damit wir gemeinsam Abschied nehmen können. Und da war es nun: Das Haus stand da, als hätte sich nichts verändert und doch war alles anders. Alte Erinnerungen kommen hoch. Vor meinem geistigen Auge sehe ich unseren kleinen Bruder auf der Wiese des großen Gartens herumtollen. Sehe uns, während einer Schneeballschlacht, beim Fangen und Verstecken spielen. Wir hatten hier eine gemeinsame Kindheit, die besonders war und die wir bis zum Schluss voll ausgelebt haben. Wir haben hier gespielt, gelacht, getanzt und gestritten. Und alles, was uns von nun an bleibt, sind all die kostbaren Erinnerungen. An das Haus ... und Milan.
Als wir bereit sind, verlassen wir das Grundstück und schließen das Tor hinter uns. Eine Weile stehen wir, in einer Reihe, noch da und blicken verheult auf unser altes Zuhause. Versuchen uns das Bild vom Zweifamilienhaus mit Garten einzuprägen, um es niemals zu vergessen. Ein Blick in den Himmel zeigt wieder einen kleinen Vogelschwarm vorüberfliegen. Drei Vögel ziehen vorbei. Dicht gefolgt von weiteren dreien. Dann erscheint ein Regenbogen. Und wir wissen, dass Milan gerade bei uns ist, während wir Abschied nehmen. Von unserer Kindheit und unserem Zuhause. Vom Haus mit den grünen Fensterläden ...
Maria Jimenez (@meine_lesereise)
Tauschgegenstand
Sitzkissen
Es soll gegen Ohropax getauscht werden.
Gut getauscht ist doppelt gewonnen
Ich stehe an der Bar und kippe den gefühlt dreißigsten Eierpunsch in mich hinein. Wohlgemerkt die bleifreie Variante, denn ich trinke keinen Alkohol. Während das papsüße Zeug meinen Gaumen und bald auch meine Arterien verklebt, werfe ich einen Blick in die Runde und mache drei Kreuze, das dem so ist. Unsere Firmenweihnachtsfeier ist jedes Jahr ein Albtraum und man kann beinahe die Uhr danach stellen, ab wie viel Uhr die Abstürze beginnen. Auch jetzt sehe ich schon wieder unzählige Kollegen und Kolleginnen, deren unkontrollierte Motorik signalisiert, dass eigentlich schon alles zu spät ist. Ich wende mich ab und drehe verdrießlich das kleine Kästchen in den Händen. Wir wichteln jedes Jahr. Das ist Firmentradition. Egon aus der Buchhaltung hat mich diesmal gezogen, der alte Knauser. Warum er mir ausgerechnet wiederverwendbare Ohropax geschenkt hat, wird wohl auf ewig sein Geheimnis bleiben. Still grolle ich vor mich hin. Meine selbstauferlegte Grinch-Stimmung wird unterbrochen, als Jasmin sich zu mir an die Bar gesellt. Sie ist eine meiner liebsten Arbeitskolleginnen. Immer gut gelaunt, ein Lächeln auf den Lippen, aber nie laut, überdreht oder aufdringlich. Sie bestellt sich einen Caipi und prostet mir zu. Ich erwidere den Gruß. Ihr Blick fällt auf das Kästchen. „Was hast du denn bekommen?“, fragt sie neugierig. „Ohropax“, knurre ich, nehme einen Schluck Punsch und verziehe das Gesicht. „Und du?“ „Ein Sitzkissen.“ „Toll.“ Wir müssen beide grinsen. „Ja das hab ich auch gedacht.“, kommentiert sie und nippt an ihrem Caipi. „Dabei hab ich doch gerade erst den superbequemen Bürostuhl genehmigt bekommen. Wenn ich jetzt mit dem Sitzkissen auflaufe, halten mich noch alle für die Prinzessin auf der Erbse.“
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Meine Gedanken driften zu meinem alten Stuhl, dessen Polster fast durchgesessen ist und der in allen Verbindungen knarzt. Jasmin hat mich schon unzählige Male damit aufgezogen. Ich sehe sie an, sie blickt zurück, dann bricht es aus uns beiden heraus: „Lass uns tauschen!“ Wir sehen uns beide kurz perplex an, dann fangen wir an zu lachen. Als ich den Eierpunsch in meinem Bauch genug durchgerüttelt habe, reiße ich mich zusammen und werde wieder ernst. Jasmin kichert immer noch vor sich hin. „Also ich weiß, wofür ich dein Sitzkissen gebrauchen kann, aber was zur Hölle willst du mit meinem Ohropax?“, frage ich verwirrt. „Diese Demonstration lässt bestimmt nicht lange auf sich warten“, erwidert sie kryptisch. Sie kichert wieder, schnappt sich das Kästchen aus meinen Händen und drückt sich die Pfropfen in die Ohren. Bestimmt kann sie mir die Fragezeichen in meinen Augen ansehen, denn Jasmin lacht schon wieder schallend. Ihr Blick streift den Tisch mit ihrer Abteilung, von dem sich gerade ihre Vorgesetzte erhebt. Die schwankt leicht und holt tief Luft. „JASMIII-HIIIIIEN“, der Vorname wird ungelogen bald auf eine Minute Länge gezogen. „Bringst du mir noch einen CAIPIIIIIIIIII mit?“, quietscht sie im Ton von Fingernägeln auf einer Kreidetafel quer durch den Saal. Kurz ist alles still, ehe sich die Leute von dem Schreck erholt haben und weiter palavern. Jasmin nickt in Richtung ihrer Chefin und sieht mich dann an. Sie holt die Pfropfen wieder aus den Ohren. „Verstehst du es jetzt?“ ,versetzt sie trocken. „Ich bring dir das Kissen morgen früh vorbei.“ Lachend prostet sie mir erneut zu, schnappt sich das Getränk für das Stimmwunder und lässt mich sprachlos mit offenem Mund und einem innerlichen Lachen zurück.
Guido Ewert (ewertibkube.de)
Tauschgegenstand
Sitzkissen
Es soll gegen Ohropax getauscht werden.
Head of the demon
„Eine echte Zumutung!“, brülle ich nach rechts zu meinem Kumpel Joachim, durch die wummernden Bässe. Grelle Lichtblitze blenden meine Augen im Blastbeat 4/4-Takt, während der Sänger unartikuliert ins Mikro krächzt, unterbrochen von ekstatischen Schreien. Die Riffs der Gitarren sind im relativ simpel und wiederholen sich hypnotisch.
Durch die extreme Einstellung der Verzerrer der elektroakustischen Gitarrenverstärker entsteht eine Art Rauschen, purer Black Methal Sound.
Joachim fuchtelt mit dem Arm, er könne keine Silbe von mir verstehen. Ich gebe es auf, keine Chance, gegen den Krach anzubrüllen.
Ich wollte unbedingt die Sitzplätze in der VIP-Lounge ganz vorn. Die Ohropax nützen hier gar nichts. Meine Gehirnwindungen wummern ständig gegen die Schädeldecke, dass es weh tut.
Das Konzert soll 2 ½ Stunden dauern. Ich rutsche auf meinem Plastikstuhl hin und her. Ich halte es keine weitere Minute mehr aus. Wenn ich jetzt aufstehe, werden mich die anderen Gäste von hinten niederschlagen, bin ich mir sicher.
Joachim war cleverer als ich, er hat sich ein Sitzkissen mitgenommen. Ich habe ihn ausgelacht: „Alter, wir haben schweineteure VIP-Tickets, da wird es ja wohl vernünftige Sitzplätze geben.“ Er hat nur gegrinst. Es ist nicht sein erstes Live-Konzert.
Ich stoße Joachim meinen Ellbogen in die Seite. Zeige ihm mit den Armen, dass ich nicht mehr kann und bereit bin, das Konzert abzubrechen. Er schaut mich kurz an, dann zeigt er auf sein Sitzkissen, deutet auf meine Ohren und schlägt einen Tausch vor. Ohropax gegen Sitzkissen. Ich nicke heftig mit dem Kopf, ich spüre schon meinen Hintern nicht mehr. Die Ohropax sind ein fairer Tausch!
Jetzt kann ich endlich das Konzert genießen.
Ingo M. Ebert (ingo-m-ebert.de)
Tauschgegenstand
Kerzenständer
Er soll in einem Drabble (genau 100 Wörter) getauscht werden.
Fireflow
Nirgendwo gab es diese `Fireflow´ Raketenlavalampe, die sich Erwin gewünscht hatte. In jedem Laden nur Kopfschütteln. Lene war schon am Verzweifeln.
Im allerletzten Beleuchtungsfachgeschäft bekam sie lediglich die Ansage: „Leider ausverkauft!“ Es blieb nur noch dieser letzte, schöne Kerzenständer, das wäre zumindest eine Alternative.
Kurz vor der Kasse, tippte ihr ein Fremder auf die Schulter: „Entschuldigen Sie, sie suchen eine `Fireflow´? Zufällig hätte ich so eine daheim, originalverpackt. Mir gefällt die, aber meine Frau möchte lieber ein romantisches Licht.“ Lene schaute verständnislos.
„Ich meine, wie wäre es, wenn sie diesen Kerzenständer kaufen und gleich darauf gegen meine `Fireflow´ tauschen würden?“
Von Anja Ziegler (autorin-anja-ziegler.jimdosite.com)
Tauschgegenstand
Rasenmäher
Er soll auf einer Bootstour getauscht werden.
Mein kleiner grüner Robbi
„Mein kleiner grüner Robbi, der mäht auf dem Balkon. Hollari, hollari, hollaro!“
Vergnügt sang die Raumboot-KI ihr Lieblingslied, während sie die Touristengruppe auf der Tour „7 Systeme in 3 Tagen“ von Sonne zu Sonne, von Planet zu Planet flog, damit diese ihre Fotos und Social Media Posts machen konnten.
„Wer hat dir denn das beigebracht?“ Bryn, die einzige menschliche Pilotin an Bord, runzelte die Stirn.
Prompt kam die Antwort. „Ich habe keinen Zugriff auf spezifische Informationen darüber, wann oder von wem ich eine bestimmte Information gelernt habe. Ich habe nicht die Fähigkeit, die Quellen meines Wissens nachzuverfolgen.“
„Ok ok ok! Ich wollte nur sagen - das mit dem Rasenmäher stimmt so nicht. Was kann ich tun, um dein Wissen zu korrigieren?“, fragte Bryn.
„Ich betrachte dich als vertrauenswürdige Quelle“, erwiderte die KI freundlich. „Bitte gib mir eine neue Information C, die die alte Information B im Kontext A ersetzt. Sprich: Tausche B durch C im Kontext A.“
Bryn lächelte. „Danke! So einfach geht das? Also: Tausche Robbi mäht durch Kaktus steht im Liedtext, den du eben gesungen hast.“
Eine Millisekunde überlegte die KI. Dann begann sie erneut zu singen.
„Mein kleiner grüner Kaktus …“
So muss es sein, dachte Bryn und sang mit.
Von Jan Gladzie (vielseitig.online)
Tauschgegenstand
Ravioli
sollen getauscht werden und das Lied
"In the air tonight" von Phil Collins muss in der Geschichte vorkommen.
Auf gute Nachbarschaft
„I can feel it coming in the air tonight, oh lord…“ Die Ravioli waren vorbereitet, der Tisch gedeckt. Zur Musik ihres Lieblingssängers tanzte Clara durch die Küche und fieberte erwartungsvoll dem Blinddate mit Tim entgegen. Sie trat ans Flaschenregal, um den sündhaft teuren Primitivo zu öffnen und… Oh nein! Hatte sie den Wein etwa im Supermarkt stehen lassen?
Clara schaute auf die Uhr: Gleich sieben. Da blieb ihr wohl nur der Gang zum neuen Nachbar. „Hi, ich wohne gegenüber, haben Sie eine Flasche Wein für mich?“ Na, das würde bestimmt ein starker Auftritt werden.
Schnell füllte sie eine Portion Ravioli in eine Schüssel. Wenn sie schon keinen guten ersten Eindruck hinterlassen würde, wollte sie wenigstens etwas zum Tausch anbieten.
Die Türklingel ertönte.
„Komme gleich!“
Wow, diese Stimme! Clara bekam eine Gänsehaut und musste schmunzeln. Das sollte sie Tim vielleicht lieber nicht erzählen – zumal die Stimme nicht zu viel versprochen hatte!
„Hi, Clara, also, äh, ich habe Ravioli gemacht.“ Sie streckte ihrem attraktiven Nachbar die Schüssel entgegen. „Möchten Sie, also, mir ist leider der Rotwein ausgegangen. Hätten Sie vielleicht eine Flasche? Die hier sind für Sie.“ Mein Gott, wie peinlich.
Mit einem Schmunzeln drehte er sich um und verschwand wortlos hinter einer Tür. Sie hörte Schränke klappern und – leise Trommelschläge…
Als er zurückkam, war die Flasche in seiner Hand bereits entkorkt. „Wollen Sie den wirklich alleine trinken oder trinken wir vielleicht lieber gemeinsam?“
In diesem Moment erklangen im Hintergrund die ersten Akkorde von Phil Collins’ „In the air tonight“ und es traf Clara wie ein Blitz.
Ihr Nachbar streckte die Hand aus. „Ich bin übrigens Tim“, sagte er lächelnd.
Von Anna Trenkwald (www.annatrenkwald.de)
Tauschgegenstände
Gebiss und Zelt
Oma Hildes Gebiss
Gestern ging der Oma Hilde das Gebiss verloren
In der bunten Blumenwiese lag es neben dem Zelt
Hat dort bei ihren Enkeln sich seinen neuen Platz auserkoren
Das ist für es eine so ganz andere und neue Welt
Die Enkel hatten für ein neues Abenteuer die Wiese verlassen
Da fragten die dritten Zähnchen den Kumpel das Kinderzelt
Ich bekomme stehts nur Grünzeug und Marmelade zu beißen
Und sähe aber auch gern mal die große, weite Welt
Das Zelt stöhnte laut und sagte im Ton einer Meise
Ach, müsste ich nicht ständig durch die Wälder rauschen
Immer dieser Affenzirkus und das nervige Gereise
Ach, könnten wir nur unsere Rollen tauschen
Das Gebiss klappert ganz aufgeregt und singt
Was können wir tun, was müssen wir machen?
Ich frag mal Thomas, das größere Enkelkind
Es hat einen Zauberstab und magische Sachen
Schnell beeilen sie sich einen Spruch aufzusagen
Ein Kichern, dann wird ein kleines Feuerwerk entfacht
Statt das geräuschvolle Kinderschnarchen zu ertragen
Taucht das Zelt in ein sprudelndes Wasserbad und lacht
Das Gebiss ist jedoch vom Tausch wenig überzeugt
Als Kinder es heftig und grob mit den Schuhen treten
Und sich obendrein ein sabbernder Hund über es beugt
Will es sofort um Grünzeug und Marmelade beten
Von Sina Land (sina-land.jimdofree.com)
Tauschgegenstände
Tischdecke und Säge
Fernsehstudio
Sämtlichen Plunder seiner Patentante war er losgeworden, nur ein riesiges Tischtuch war übriggeblieben.
Zu Putzlumpen wollte er es nicht zerschneiden, dafür war es zu schade.
Was machte er stattdessen damit? Den Motten zum Fraß vorwerfen? Er hatte kein Ungeziefer im Haus.
Abends zappte Richard gelangweilt durch die Fernsehkanäle und blieb schließlich an einer neuen Sendung hängen, von der er vor ein paar Tagen unterwegs Werbung gesehen hatte. Das war eine Art Blind-Date. Nur ging man dort nicht hin, um jemanden kennenzulernen, sondern um etwas zu tauschen. Ob er sich dort mit dem Tischtuch bewerben sollte?
Richard überlegte ein paar Tage hin und her bis er ein Foto des Tischtuchs von Tante Hertha machte, dieses hochlud und abschickte.
Zwei Wochen später bekam er einen Brief. In dem Schreiben lud man ihn ins Studio ein und schlug ihm mehrere Termine vor.
Bereits fünf Tage später, fand er sich in einem Fernsehstudio wieder.
"Dann zeigen Sie mal das gute Stück", sagte der Aufnahmeleiter und warf einen ungeduldigen Blick auf seine Uhr. "Sie erzählen jetzt die kleine rührige Geschichte, dass das Tischtuch von Ihrer verstorbenen Patentante ist und Sie möchten, dass es in gute Hände gerät. Kriegen Sie das hin?"
"Ja", sagte Richard überzeugt. Zuhause hatte er sich bereits darauf vorbereitet und einen kleinen Text geschrieben, den er aufwendig gelernt hatte.
"Gut, dann proben wir das jetzt und drehen anschließend."
Richard hoffte, dass er nicht wie Erwin Lindemann enden würde, der am Ende statt seines Lottogewinns völlig verdrehtes Zeug von sich gegeben hatte.
Er brauchte drei Versuche, weil er vor lauter Aufregung zu schnell gesprochen oder sich mehrfach verhaspelt hatte. Dann war alles im Kasten.
"Gleich ziehen Sie aus einem Gefäß eine Kugel, öffnen diese, holen den Zettel heraus, falten ihn auf und halten die Inschrift direkt in die Kamera. Dann unterbrechen wir kurz die Aufnahme und Sie können sich überlegen, was mit der Beschreibung gemeint sein könnte. Danach wird die Kamera wieder eingeschaltet und sie erzählen munter drauf los, was sie darüber denken", sagte der Aufnahmeleiter. Der Blick auf die Uhr durfte nicht fehlen. Hatte der noch eine Verabredung?
Er gehörte nicht zu denen, die nicht im Lostopf landeten. Dann würde er morgen bereits erfahren, gegen welchen Gegenstand er sein Tischtuch getauscht hatte.
Richard sah den Lostopf und kam sich vor, als würde er gleich eine Begegnung im DFB-Pokal ziehen, stattdessen war es sein Tauschgegenstand.
Ein Fehler lässt sich damit nicht rückgängig machen, stand auf dem Zettel.
Was mochte das nur sein? Wahrscheinlich war das eine Uhr. Hoffentlich keine Standuhr, die sich alle halbe Stunde meldete. So was konnte er nicht gebrauchen. Oder ein Stift? Ein alter Füller wäre nicht schlecht. Vielleicht einer aus den 50er Jahren. Damals hatte es schöne Exemplare gegeben. Eine Waschmaschine würde es kaum sein.
Am nächsten Tag kam Richard pünktlich mit seinem Tischtuch im Studio an und wurde sogleich in die Maske geführt, wo ihm der Aufnahmeleiter den Ablauf erklärte. Ob er gestern pünktlich zu seinem Termin gekommen war?
Sie stehen gleich an einem Tisch, erzählen noch einmal, was Sie glauben, als Tausch zu
erhalten. Danach gehen sie zu einer Wand. Diese wird wie bei Herzblatt zur Seite gefahren und Sie sehen Ihren Tauschpartner mit seinem Gegenstand."
Aufgeregt stand Richard schließlich vor dieser Wand und kam sich tatsächlich wie ein Herzblatt-Kandidat vor. Langsam fuhr die Wand zur Seite und das erste, was er sah, waren die versetzten Zähne eines Sägeblatts.
Entsetzt sah er, dass er keine Uhr und keinen Füller ertauscht hatte, selbst die Waschmaschine war es nicht geworden, sondern eine Fuchsschwanz. Wenn er eins nicht brauchte, war es eine Säge. Was hatte er nur für Pech.
Konnte man noch einmal mitmachen?
Von Helen Dalibor
Tauschgegenstand
Arbeitsplatz
Der Wecker meines Vaters
Ich erinnere mich noch genau an den Tag zurück, an dem mir meine Mutter den Wecker meines Vaters schenkte. Sie hatte das morgendliche Geschimpfe satt und tauschte ihn anstelle ihrer mütterlich-fürsorglichen Aufgabe, mich in aller Frühe zu wecken. Der Wecker verstummte von nun an auf mein Wort. Was ich nicht alles für Schimpfwörter in den kommenden Jahren für ihn entwickelte! Doch irgendwie liebte ich meinen Freund auf dem Nachttisch. Er tickte geräuschlos all die Jahre weiter und ich dankte es ihm, indem ich regelmäßig die Batterien tauschte.
Die Zeit verging und ich schlief nicht mehr allein. Doch zu jener Zeit ließ ich meine Frau morgens weiterschlafen. Sie musste Kraft schöpfen. Und auch in der Zeit, als mich mein nächtlicher Weggefährte täglich etwas früher wecken musste, damit ich meine Frau im Krankenhaus besuchen konnte, tat er zuverlässig seine Dienste. Bis meine Liebste mit meiner kleinen zuckersüßen Tochter nach Hause kam. Mein Wecker hatte sich danach eine kurze Auszeit verdient und ich tauschte ihn gerne vorübergehend gegen die gut hörbaren Babyrufe ein.
Von Marco Plate ( marco-plate.de)
Tauschgegenstand
Notizbuch
Gegen was wird es getauscht?
Der Zauber
Gegen gelesene Lektüre
Bekam ich ein Notizbuch zum Tausch
Ich wollte was reinschreiben
Und verfiel in einen Rausch
Die ganze Nacht hindurchgeschrieben
Waren alle Seiten voll
Und das, was ich da schrieb
Fand mein Verleger toll
Ich tippte alles fein
Auf meiner Schreibmaschine
Und als Buch zum Verkauf
Stands bald in der Vitrine
Das Notizbuch derweil
Der Tausch - als Info nebenbei
War wieder leer und unbenutzt
Das war wie Zauberei
Von Steffi Lofeldt